Ein unendliches Lied von der Liebe

Klassische Hofmusik aus Usbekistan

"Maqam" ist ein arabisches Wort und bedeutet soviel wie: "Ort" - oder "Standort". Der
Geschichte und Vielfalt an Bedeutungen dieses Begriffs in allen Verästelungen und Varianten nachzuspüren, würde hier zu weit führen. Jedenfalls ist er sehr alt, und läßt sich bereits in Texten aus dem I 1. Jahrhundert nachweisen.
In Usbekistan und Tadshikistan verwendet man das Wort "Maqäm" sowohl zur Bezeichnung des Modus oder der Tonart, d.h.jeder Maqäm ist durch spezifische Töne und melodische Wendungen charakterisiert, als auch vor allem zu Bezeichnung eines Zyklus von Instrumental- und Vokalsätzen. die in einem bestimmten Modus stehen.
Beim SchaschMaqäm handelt es sich um eine Repertoiresammlung, in der die wichtigsten Stücke der tadshikischen und usbekischen Kunstmusik, also verschiedenen Instrumental- und Vokalformen bis hin zum volkstümlichen Lied in einer bestimmten. verbindlichen Reihenfolge festgelegt worden sind.
Der SchaschMaqam umfaßt sechs - denn schasch heißt sechs - große Maqäm-Zyklen mit insgesamt etwa 250 Einzelstücken, die zusammenhängend aufzuftihren etwa l2 Stunden dauem würde, einen ganzen Tag oder eine ganze Nacht. Früher - vor den Zeiten russischer Hegemonie in Zentralasien - wurde die Musik sowohl bei Versammlungen der Handwerkerzünfte. bei philosphisch-literarischen Abenden, den sogenannten Madchlis der gebildeten Oberschicht sowie am Hole der Emirs aufgeführt.
Die Namen der Maqäame sind schon seit dem 13. Jahrhundert bekannt: Buzruk - der "Große". lRasr - der "Wahre", Nava - der "Melodische", Dugah, Degah und lrak.
Jeder Maqam besteht aus einem instrumentalen und einem vokalen Zyklus. Während die großen Vokalzyklen früher solistisch vorgetragen uurden, wahrscheinlich sogar hinter einem Vorhang, als relativ leise und verhaltene Hintergrundmusik im Wettstreit mit dem Gesang der Vögel. werden sie heute vorwiegend von größeren Ensembles und Chören in Konzertsälen und in repräsentativen Fersehproduktionen gespielt. Todemst sitzen die Musiker in schwarzen Anzügen vor der Kamera, und verziehen auch während der leidenschaftlichsten Passagen keine Miene. um sich überjeden Verdacht erhaben zu zeigen, daß diese Musik sie vom rechten Weg des Islam entfemen könnte. lm Gegenteil: Der SchaschMaqäm hat einen religiösen Hintergrund, und soll die Gläubigen an das unendlich entfemte Göttliche heranführen.
Der Vokalzyklus jedes Maqäm beginnt mit einem langsamen bedeutenden Teil namens Sarachbar, der "Anfangsmitteilung". Nach einem kurzen instrumentalen Vorspiel werden die ersten beiden Gedichtzeilen im tiefen Register gesungen. In diesen ersten beiden, daramad, d.h. "Einleitung" genannten Melodiephrasen. wird der melodische und tonale Grundcharakter des Maqäm vorgestellt. Es folgen zwei weitere Melodiephrasen im Quart- resp. Quintregister gesungen aufdie nächsten beiden Gedichtzeilen. Diesen Abschnitt nennt man Mijan-chat d.h. "mittler Zeile".
Dieser Einleitungsabschnitt wird im Oktavregister wiederholt. Es schließen sich Modulationen im Oktavregister an, die allmfilich zur großen Kulmination, der sogenannten Audsch, im letzten Viertel des Stückes führen. Von dort kehrt die Komposition relativ rasch zu ihrem Ausgangspunkt zurück, also zu den in den tiefen Registern vorgetragenen Melodiephrasen der Einleitung. Jede der großen Vokalteile hat also eine zyklische Struktur. Sie kehren zu dem in ihren Einleitungen vorgestellten tonal- melodischen Charakteren zurück.
Es folgen weitere Vokalstücke mit den Bezeichnungen talquin, nasr, ufar, mit jeweils eigenen usul genannten oft mehrtaktigen Rhyhmen. die fürjedes dieser Stticke charakteristisch sind.
Eingeschoben zwischen diese großen Vokalsätze sind volkstümliche Liedformen, die
sogenannten tarana. Am Schluß erklingt der beschwingte Vokalteil ufar im 6/8 Takt. zu dem auch getanzt werden kann.
Auch die Anlage der großen Vokalteile insgesamt folgt einer zyklischen Struktur. Nach
scheinbar unendlichen Variationen erreicht das Ende des letzten Teils a/cr den
Grundcharakter der Einleitung des ersten Vokalteils. das tonal-melodische Material des
Sarachbar.lnsgesamt dauert solch ein Zyklus ca. I Stunde, einschließlich dem
vorangehenden Instrumentalzyklus sind es I l/2 bis 2 Stundenje Zyklus.
Einer ähnlichen unendlichen Struktur folgen auch die gesungenen Texte des SchaschMaqam.
Der stets verschmähte Poet blickt auf zu einer angebeteten Schönen, die er nie oder fast nie erreicht. Diese Gedichte thematisieren nicht so sehr die Sehnsüchte zwischenmenschlicher Liebe, sondern viel mehr das Verhältnis zwischen dem Göttlichen, dessen vollendeter Schönheit und den Menschen, deren Wunsch nach Erlösung im Diesseits unerfüllt bleibt.
Hören Sie nun, interpretiert vom Maqam-Ensemble des Usbekischen Radios und Femsehens unter der Leitung von Abduchaschim Ismailov die Teile sarachbar-i Buzruh talqin-i Uzzal, nasr-i lJzzal und llfar-i Uzzal aus dem Vokalzyklus des Maqam Buzruk, des "Großen Maqäm", der früher mit der Farbe Rot assoziiert wurde und dessen eher kraftvoll-kämpferischen Charakter man mit den Turkvölkem in Verbindung brachte.

Cast & Crew

Regie
Uli Aumüller
Schauspieler
Susanna Fernandez Jenebra, Ulrich Ritter, Hussein Djirbedji, Hans Treichler
Musik
Abduchaschim Ismailov
Redakteur/in
Helmut Rohm, Wilfried Hiller